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8b Beratungsagentur

Schutzkonzepte für ambulante Träger: Neue Pflicht nach § 77 SGB VIII 

Schutzkonzept ambulante Jugendhilfe 2025

Ab dem 1. Juli 2025 gilt: Auch ambulante Träger der Hilfen zur Erziehung müssen Gewaltschutzkonzepte vorweisen. Was bisher nur für stationäre Einrichtungen Pflicht war, wird durch das neue Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen auf alle ambulanten Angebote ausgeweitet.

Dieser Beitrag soll dir einen Überblick über die aktuellen gesetzlichen Änderungen im SGB VIII geben. Er ist speziell auf Träger mit ambulanten Angeboten zugeschnitten, die auf Basis von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII arbeiten. Er zeigt, welche neuen Anforderungen ab dem 1. Juli 2025 gelten und welche Auswirkungen sie auf die Praxis haben können.

Die Änderung betrifft unmittelbar alle Träger ambulanter Hilfen zur Erziehung. Wer künftig kein Schutzkonzept nachweisen kann, riskiert, dass Verhandlungen mit Jugendämtern stocken und Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII nicht zustande kommen.

Im Folgenden erfährst du, welche Änderungen § 77 SGB VIII bringt, warum diese Neuerung bedeutsam ist und welche Schritte ambulante Träger gehen sollten, um rechtzeitig gut vorbereitet zu sein.

Was hat sich konkret geändert?

Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII müssen künftig neben Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung auch Qualitätsmerkmale zum Schutz vor Gewalt und Ausbeutung enthalten. Damit wird Gewaltschutz zu einem verbindlichen Bestandteil aller Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen.

Grundlage ist das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, dass zum 1. Juli 2025 in Kraft getreten ist. Details zur Ausgestaltung können – wie bisher – durch das jeweilige Landesrecht konkretisiert werden.

Wer ist betroffen?

Die Regelung betrifft alle ambulanten freien Träger, die Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII erbringen und auf Basis von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII arbeiten. Das sind insbesondere:

  • Träger der Sozialpädagogischen Familienhilfe (§ 31 SGB VIII)
  • Anbieter von Erziehungsbeistandschaft (§ 30 SGB VIII)
  • Träger der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII)
  • Anbieter von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII (z.B. Schulbegleitung)
  • Weitere ambulante Hilfeformen nach §§ 27 ff. SGB VIII

Warum ist das wichtig?

Die Botschaft ist klar: Kinderschutz ist keine freiwillige Zusatzleistung, sondern ein zentraler Qualitätsmaßstab der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe.

Die Chance: Träger, bei denen der Schutz vor Gewalt bereits zum Selbstverständnis zählt und in der Praxis gelebt, können dies nun besser in Entgelten abbilden und ihre Finanzierung auf eine stabilere Grundlage stellen.

Bestandteile eines Schutzkonzeptes

Die gesetzlichen Anforderungen orientieren sich an den bereits für stationäre Einrichtungen geltenden Standards. Das folgt u.a. aus dem Grundsatz,  dass sich die öffentlichen Träger der Jugendhilfe bei der Entwicklung von Grundsätzen und Maßstäben für die Bewertung der Qualität an den fachlichen Empfehlungen der Landesjugendbehörden orientieren sollen (vgl. § 79a SGB VIII). Das gilt insbesondere bei der Entwicklung, Anwendung und Prüfung von Konzepten zum Schutz vor Gewalt und Ausbeutung. Kurz gesagt: Empfehlungen und Orientierungshilfen der Landesjugendämter für Träger stationärer und teilstationäre Einrichtungen, können auch für ambulante Träger eine Orientierung bieten.

Zu den Standards bewährter Schutzkonzepte für stationäre Einrichtungen gehören:

Prävention

  • Personalauswahl und -entwicklung (u.a. erweiterte Führungszeugnisse, Selbstverpflichtungserklärungen, Onboarding)
  • Fortbildungen zum Thema Gewaltschutz
  • Partizipations- und Beschwerdestrukturen
  • Aufklärung und Sensibilisierung von Kindern, Jugendlichen und Familien

Intervention

  • Klare Verfahrensabläufe bei Verdachtsfällen
  • Eindeutige Ansprechpersonen und Kommunikationswege
  • Kooperation mit Fachberatungsstellen
  • Dokumentation und systematische Aufarbeitung von Vorfällen

Aufarbeitung

  • Strukturen für die Aufarbeitung von Gewaltvorkommnissen
  • Unterstützung für Betroffene
  • Organisationslernen aus kritischen Ereignissen durch Reflexion und Weiterentwicklung
  • Rehabilitationsverfahren

Schritte für ambulante Träger

1. Bestandsaufnahme

Welche Schutzstrukturen existieren bereits? Was fehlt noch für die gesetzlichen Anforderungen?

2. Konzeptentwicklung

Gemeinsam mit Mitarbeitenden, Kindern, Jugendlichen und Familien konkrete Standards definieren – von Meldewegen über Beschwerdemöglichkeiten bis zu Nähe-Distanz-Regeln.

3. Team qualifizieren

Alle Mitarbeitenden zu den neuen Anforderungen schulen.

4. Kosten kalkulieren

Welche zusätzlichen Aufwendungen entstehen? Wie lassen sie sich wirtschaftlich darstellen?

5. Jugendämter einbeziehen

Proaktiv kommunizieren, welche Qualitätsmerkmale in künftige Vereinbarungen gehören.

6. Netzwerk nutzen

Unterstützung durch spezialisierte Fachberatungsstellen holen – der externe Blick ist wertvoll.

7. Verträge anpassen

Vorbereitung auf Neuverhandlungen der Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII


Fazit

Mit der Neufassung des § 77 SGB VIII wird klar: Konzepte zum Schutz vor Gewalt sind ab Juli 2025 auch für ambulante Hilfen zur Erziehung gesetzliche Pflicht.

Die Ausweitung der Gewaltschutzkonzept-Pflicht auf ambulante Träger stellt eine wichtige Weiterentwicklung des Kinderschutzes dar. Auch wenn dies zunächst zusätzliche Anforderungen bedeutet, bietet die Neuregelung die Chance, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe zu stärken.

Für die Träger eröffnet sich damit die Chance, die eigene Arbeit sichtbar weiterzuentwickeln. Ein gutes Schutzkonzept lebt von seiner Umsetzung in der Praxis, von Überprüfung, Reflektion und Weiterentwicklung. Dafür ist ein kontinuierlicher Prozess notwendig, der neben einer klaren Haltung auch Ressourcen benötigt.

Die Botschaft ist eindeutig: Kinderschutz kann man sich nicht sparen – und er gehört nun fest zu den Grundlagen jeder Vereinbarung in der ambulanten Jugendhilfe.

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Foto von Rafiee Artist auf Unsplash

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